„Man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen; so verstehen sie es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen redet.“ Vor 500 Jahren hat Martin Luther das Neue Testament ins Deutsche übersetzt und damit etwas Neues gewagt: Er schrieb einen Text, den auch das einfache Volk verstand. Anders als die Übersetzer vor ihm, klebte er nicht an den lateinischen Worten, sondern hat sich am Sinn orientiert (was bekanntermaßen heftigste Kritik seitens der Kirche nach sich zog).
Luther schrieb eingängig und erfand Wendungen, die sich mit ihren starken Bildern bis heute ins kollektive Sprachgedächtnis eingebrannt haben: „Perlen vor die Säue werfen“, „der Wolf im Schafspelz“, „auf Sand bauen“ oder „ein Stein des Anstoßes sein“. Auch Wortschöpfungen wie Lästermaul, Lückenbüßer, Machtwort, Feuereifer oder wetterwendisch gehen auf ihn zurück. Er war ein wortgewaltiger Mann, der aufmerksam zugehört und die Inhalte in eine einprägsame, deutliche Sprache gekleidet hat. Das macht einen guten Text aus – auch 500 Jahre später noch.
Mehr über Luther als Meister der Sprache:
Wem hat Luther aufs Maul geschaut? Der Sprachforscher Hartmut Günther gibt Antworten
Luther wäre heute ein Journalist und Twitter-Meister, meint der Journalist Paul Josef Raue